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Der Fall Otto John

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Erik Gieseking: Der Fall Otto John. Entführung oder freiwilliger Übertritt in die DDR?
 
Phil. Diss. Universität Dortmund 2004. Lauf an der Pegnitz 2005.
 
Im Juli 1954 erschütterte ein Skandal die noch junge Bundesrepublik Deutschland. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Dr. Otto John (1909–1997), war verschwunden. In kürzester Zeit wucherten in der Situation des sogenannten Kalten Krieges zwischen Ost und West die Spekulationen. Die Dissertation geht u. a. der These nach, ob sich John eine Lebenslüge aufgebaut hat, nach der er in die DDR entführt wurde. Die Bundesregierung warnte vor voreiligen Schlüssen. Selbst Rundfunkerklärungen Johns vom 23. und 28. Juli 1954, in denen er die Bundesregierung über den Ostberliner Rundfunk u. a. wegen ihrer Remilitarisierungspolitik angriff, änderten nichts an deren offizieller Ansicht, daß es sich wahrscheinlich um eine Entführung handele.
Alle Spekulationen und Anschuldigungen fanden ihre scheinbare Berechtigung, als John am 11. August 1954 auf einer Pressekonferenz in scharfen Worten Bundeskanzler Adenauer und seine amerikanisch orientierte Politik der Wiederbewaffnung, in der er das Haupthindernis für eine Wiedervereinigung Deutschlands sah, angriff und den stetig zunehmenden Einfluß der ehemaligen Nationalsozialisten kritisierte. Er, der einst an den Vorbereitungen für das gescheiterte Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 beteiligt gewesen war und nur knapp den Verfolgern über Spanien und Portugal nach Großbritannien entkommen konnte, hatte sich am zehnten Jahrestag des Attentats entschlossen, ein Zeichen zu setzen, um die Menschen im Westen aufzurütteln. Die Bundesregierung reagierte darauf mit der Feststellung, daß erwiesener Verrat nunmehr auch als Verrat bezeichnet werden müsse.
John verbrachte Ende des Jahres 1954 mehrere Monate in der Sowjetunion und wurde dort intensiv u. a. zu seinen Kenntnissen über das BfV und die übrigen westlichen Nachrichtendienste befragt, bevor er im Dezember des Jahres wieder in die DDR zurückkehren durfte. Dort begann er eine umfangreiche publizistische und propagandistische Tätigkeit zu entfalten, wobei er mit der in der DDR üblichen offiziellen Wortwahl die gleichen Forderungen und Behauptungen aufstellte, wie er sie bereits in seinen Rundfunkerklärungen und der Pressekonferenz erhoben hatte.
Unerwartet flüchtete er am 12. Dezember 1955 mit Hilfe des dänischen Journalisten Hendrik Bonde–Henriksen über West-Berlin in die Bundesrepublik zurück. Als sich der Verdacht des Landesverrats gegen ihn erhärtete, wurde er in Untersuchungshaft genommen. Nach fast einem Jahr begann der Prozeß gegen John, der am 22. Dezember 1956 mit seiner Verurteilung zu vier Jahren Zuchthaus wegen landesverräterischer Fälschung und Konspiration in besonders schwerem Falle endete.
Grundlage des Urteils war die Auffassung des Senats von einem freiwilligen Übertritt des Angeklagten in den Osten und der Freiwilligkeit seiner dortigen Propagandatätigkeit. Mit erfundenen Behauptungen habe er die Bundesbürger in die Irre geführt und der Bundesrepublik und ihrem Ansehen im Westen geschadet.
Die Dissertation untersucht den Zeitraum der fünfziger Jahre. Es wird gezeigt, daß die Ereignisse der Öffentlichkeit mittels der Presse präsentiert wurden, die stark abhängig waren von der zeitgenössischen Berichterstattung und von den Darstellenden. Die Handlungsstränge scheinen zeitweise um so mehr in den Hintergrund zu treten, wie die Handhabung des Falles durch die Bundesregierung, beeinflußt durch schwere Vorwürfe der politischen Opposition und verschiedener Presseorgane, dies in der Öffentlichkeit überdeckten. Beachtung finden in diesem Zusammenhang auch die verschiedenen Ermittlungstätigkeiten und die Reaktionen auf das Urteil. In einem Exkurs wird auf die Reaktionen der Presse auf die verschiedenen Versuche Johns, eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu erreichen, eingegangen.
Insbesondere wird die Rolle des John begleitenden Arztes, Wolfgang Wohlgemuth, berücksichtigt und gezeigt, daß die widersprüchlichen Angaben des Arztes und die sowjetischen Versuche einer Manipulation der öffentlichen Meinung in der Bundesrepublik bei der Beurteilung des Falles John eine wichtige Rolle spielen.
Neben den Akten des MfS stützt sich die Arbeit im wesentlichen auf offene Aktenvorgänge, Nachlässe, veröffentlichte Quellen und auf die zahlreich vorhandenen Presseberichte. Die Dissertation berücksichtigt, daß es keinen zugänglichen schlüssigen Beweis für einen freiwilligen Übertritt Johns nach Ostberlin gibt und daß er dort zum Landesverräter geworden ist. Es wird gezeigt, daß der offiziöse Versuch, den Aufenthalt Johns in der DDR von Mitte 1954 bis Ende 1955 aufgrund von „Indizien“ und Zeugenaussagen als einen freiwilligen Aufenthalt zu deklarieren, keinesfalls zwingend und eine gegenteilige Ansicht vertretbar ist. Otto John hat sich keine Lebenslüge aufgebaut, sondern konnte den östlichen Manipulationen nicht entgegentreten, weil ihm dazu wichtige Erkenntnismöglichkeiten fehlten. Er ist ein Opfer des Kalten Krieges geworden ist. Ein Opfer, das seine Unschuld nicht beweisen konnte, weil weder auf der westlichen noch auf der östlichen Seite ein Interesse daran bestand aus ihm einen Märtyrer zu machen.



Eine Zusammenfassung dieser Arbeit finden Sie
auch im Downloadarchiv.
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